Sagen aus Königswiesen und rund um Königswiesen

MARIA SCHLEIER

Als das Mühlviertel noch von gesunden, dichten Wäldern bedeckt war, fand das Christentum in der Tochter des Königs eine treue Anhängerin. Aber nach dem Tod des Vaters zwang der Bruder die Christen zum Abfall. Mit einer Schar getreuer Christen floh die Königstochter unbemerkt und wanderte unter Mühseligkeiten viele Tage durch den fast undurchdringlichen Wald, bis sie zu dem freundlichen Flecken kamen, wo jetzt Königswiesen liegt. Sie ließen sich nieder und brachten neben vielem anderen den dunklen Bewohnern der Waldhöfe das Christentum. Wo jetzt die steinerne Kirche steht, wurde eine Holzkapelle errichtet. Inzwischen hatte sich daheim auch ihr Bruder zum Christentum bekehrt und reuig zog er aus, seine Schwester zu suchen. Viele Tage suchte er bereits vergeblich, als er endlich an einem Ast den Schleier seiner Schwester erblickte und bald auch sie selber fand. So kehrte sie schweren Herzens in ihre Heimat zurück. Zuvor aber schenkte der Bruder den wertvollen Seidenschleier dem Gnadenbild in der Kirche. Es heißt ja noch heute: Maria Schleier. Eine Anzahl der Gefolgsleute blieb bei den Waldleuten und zum bleibenden Andenken gaben sie der Siedlung, die um die Kirche herum entstand, den Namen Königswiesen.
 

DIE VERWUNSCHENE JUNGFRAU VON KÖNIGSWIESEN
Unweit des Marktes Königswiesen erhebt sich tief im Wald ein steiler Felsen, bei dem es nicht recht geheuer sein soll. Einmal kamen zwei junge Burschen aus Königswiesen zu dem Felsblock und sahen droben eine Frau mit silberweißen Haar sitzen. Erstaunt betrachteten sie die seltsame Erscheinung. Dann aber begann der eine zu spotten: "Schau dir einmal das seltsame Geschöpf an; das muß gewiß schon eine sehr alte Jungfrau sein!"
"Ja, das bin ich", erwiderte das weibliche Wesen mit ernster Miene. "Dreimal schon habe ich den Wald wachsen und abholzen gesehen. Ich bin verwunschen, hier auf diesem Stein zu sitzen, ihr aber könnt mich erlösen, wenn ihr morgen um die gleiche Zeit wieder zu dem Felsen kommt. Dann werdet ihr mich auf diesem Steinblock als feurige Schlange sehen, die einen glühenden Schlüssel im Maul hält; zugleich wird ein furchtbares Gewitter losbrechen, daß ihr glauben werdet, der Weltuntergang sei gekommen. Erschreckt aber nicht darüber, es wird euch nichts geschehen. Tretet nur mutig an die Schlange heran und reißt ihr den Schlüssel aus dem Rachen. Getraut ihr euch aber nicht, das zu tun, so muß ich auf meine Erlösung wieder warten, bis der kleine Schößling, den ihr dort am Boden seht, zu einem mächtigen Baum herangewachsen ist, aus dessen Brettern eine Wiege gezimmert werden kann. In dieser Wiege soll das Kind liegen, das mich erlösen wird." Nach diesen Worten verschwand die Jungfrau.
Die beiden Burschen eilten nach Hause, fest entschlossen, am nächsten Tag das Wagnis zu unternehmen. Als sie dann wirklich zur Stelle waren, geschah alles, wie die Jungfrau angekündigt hatte. Kühn traten sie an die Schlange heran; schon wollten sie den Schlüssel aus ihrem Maul nehmen, da brach ein so furchtbarer Sturm los, und es blitzte und krachte so entsetzlich, daß die beiden das Weite suchten.
Hinter ihnen aber tönte das leise Weinen der Jungfrau, die nun wieder viele Jahrzehnte auf jenen Jüngling warten muß, der sie vielleicht erlösen wird.

QUELLENKULT IN KÖNIGSWIESEN

Wie in Dimbach ist auch die Pfarrkirche Königswiesen Maria Himmelfahrt geweiht. In beiden Orten verehrte man in früheren Zeiten Quellen. Das Wasser des Brombeerbründls soll bei Augenkrankheiten geholfen haben. Kein Wunder, dass bald viele Leute zu dieser Heilstätte pilgerten.
Der Standort lag an der Gemeindegrenze von Königswiesen und Unterweißenbach. Der Pfarrer Maximilian Kiener berichtete im Jahre 1643 dem Propste von Waldhausen: „Das Wasser sei gut für blöde Augen und lahme Glieder". In seinen Ausführungen ist weiter zu entnehmen, dass das Brünnlein an einer öffentlichen Straße liege, „darüber man reiten und fahren muss". Er ersucht um Weisung, wie er sich weiterhin zu verhalten habe. Leider ist die Antwort aus dem Stift nicht bekannt. Eine kurzfristige Wallfahrt nach Königswiesen war aber nicht zu verhindern. Eine Nachbildung des Gnadenbildes verweist noch auf die ehemalige Bedeutung. Nach der Legende lebte in der Gegend von Königswiesen ein Mann, der schon fast erblindet war. Im Traum erschien ihm die Gottesmutter und sagte zu ihm: „Weil du viel gebetet hast, will ich dir helfen. Geh zum Brombeerbründl und wasche dir dort die Augen!" Der Mann tat es, wurde sehend und erbaute eine Holzkapelle. Die Pfarre Königswiesen unterstand bis zur Aufhebung dem Kloster Waldhausen. Von Dimbach wissen wir bereits, dass die Obrigkeit des Klosters keine Freude mit den aufkommenden Wallfahrtsorten hatte und nichts zu deren Fortbestand beitrug. Möglicherweise spielte
auch die Verarmung des Klosters eine Rolle, vielleicht sahen sie aber auch in den Quellheiligtümern Relikte heidnischer Kulthandlungen. Vielfach wurden die Wasserheiligtümer christianisiert, in vielen Fällen aber auch abgeschafft.
 
DIE WALLFAHRTSSTÄTTEN MARIA TAFERL, ST. THOMAS, PIERBACH, ZELL, ZELLHOF, EINSIEDLERKREUZ PURATH UND DAS EISERNE BlLD

Einsiedlerkreuz bei Purath

Ältere Leute aus St. Georgen wissen noch von einer Wallfahrt zum Einsiedelkreuz in der Nähe der niederösterreichischen Ortschaft Purath zu berichten. Jährlich wurde am 4. Mai, dem Florianitag, von der Prinzenkapelle in Ebenedt weggegangen. Der Weg führte über Brücklwald und Wessely zum Einsiedelkreuz. Dabei erinnern sie sich an manche Aussagen ihrer Vorfahren, zum Beispiel „Brücklwald war Wald, wird wieder Wald" oder wie die Hemetsschläger bei einer Opferschale Opfergaben hinterlegten, damit ihre Angehörigen wieder gesund würden. Angeblich wurden diese mildtätigen Gaben immer von reichen Leuten gestohlen. Die Wallfahrtsstätte zum „gegeißelten Heiland auf der Wies" hatte ihren Ursprung um 1750.


DAS „EISERNE BILD“
St. Georgen am Walde
Ein Rauchfangkehrer war auf dem Heimweg von seinem weitläufigen „Gau" im Stiftinger Forst. Er hatte noch ein gutes Stück Waldweg vor sich, als ihn ein Unwetter überraschte, das ihn zum Unterstehen zwang. Die nahen Blitze und der Wolkenbruch hielten den müden Rauchfangkehrer lange in einer Höhle zurück. Inzwischen war die restliche Helligkeit des Abends dem undurchdringlichen Dunkel der Nacht gewichen. Die wohlverdiente Nachtruhe wollte er in den eigenen vier Wänden verbringen, so streckte er die Arme vor sich in die Finsternis und suchte tastend und taumelnd nach einem Weg. Die Erschöpfung zwang ihn, einzusehen, dass er sich heillos verirrt hatte und er die Nacht im Wald verbringen musste.
Mit etwas mehr Kräften begann er in der Morgendämmerung erneut seine Wegsuche. Es beunruhigte ihn, keine der Waldecken, die er durchstreifte, wieder zu erkennen. Er kehrte einige Male um, versuchte sich nach dem ungefähren Sonnenstand zu richten, kletterte auf die höchsten Bäume, um einen Überblick zu bekommen, aber jegliches Bemühen war vergebens. Die Abenddämmerung weckte in ihm eine gewisse Verzagtheit, und die Gedanken an Frau und Kind trieben ihm die Tränen in die Augen. Er wagte nicht mehr zu hoffen. Er begann zu beten. Da sah er einen Lichtschein vor sich und fürchtete, schon Wahnbilder zu sehen. Der Schein jedoch verstärkte sich und schwebte langsam vor ihm her. Der Rauchfangkehrer folgte unweigerlich der Lichterscheinung, stolperte über allerlei Hindernisse, wandte aber den Blick nicht ab von dem weisenden Licht. Wie ein Traumwandler gelangte er zu seinem Haus, wo ihn seine Frau und die Kinder glücklich empfingen.
Aus Dankbarkeit über seine Rettung ließ der Rauchfangkehrer das Bild der Mutter Maria mit dem Leichnam Jesu auf ein Eisenblech malen. Dort, wo ihm das Licht erschienen war, hängte er das eiserne Bild an einen Baum.
In früheren Zeiten sind viele Pilger zu diesem Gnadenbild gekommen. Bis heute ist der Brauch geblieben, dort am Dreifaltigkeitssonntag zu einer Andacht zusammenzukommen und einen Kirchtag zu begehen.
Das Bild hängt inzwischen in einer kleinen Kapelle.

Eisernes Bild

Um das Bild der nahe gelegenen Andachtsstätten abzurunden, darf auf das Eiserne Bild in der Gemeinde St. Georgen am Walde nicht vergessen werden. Ein Rauchfangkehrer verirrte sich einst in den dichten Waldungen des Stiftinger Forstes. Zum Dank für die glückliche Errettung ließ er an einem Baum eine bemalte Blechtafel anbringen (siehe unter Sagen in der Broschüre „Europagemeinde St. Georgen am Walde - ein Markt im nördlichen Greiner-
wald"). In früheren Jahren kamen dauernd Pilger zum Eisernen Bild, während in unserer Zeit nur noch am Dreifaltigkeitssonntag Leute aus der Umgebung zu einer kurzen Andacht kommen. An diesem Tag beleben tausende Leute das stille, einsame Waldgebiet. Obwohl wir in alten Aufzeichnungen in den Jahren 1685 bis 1783 für den Ort St. Georgen am Walde die Schreibweise St. Georgen im Badfeld vorfinden, kann mit Sicherheit gesagt werden, dass dies nicht auf eine Andachtsstätte zurückzuführen ist.

 

 

 


Pestsage aus der Gegend von Königswiesen

Es war um das Jahr 1700, als sich Frau Pest wieder einmal auf die Wanderschaft machte. Lange hatte sie geschlafen, und die Menschen hatten sie beinahe vergessen.
Nun zog sie wieder durch das Land, und Bruder Tod ging an ihrer Seite. Sie nahmen mit, wer ihnen gerade begegnete. Großvater, Mutter, Kind - niemand war vor ihnen sicher.
Auf ihrer furchtbaren Reise kamen die beiden auch in die Ortschaft Kastendorf bei Königswiesen. In diesem kleinen Dorf lebten damals ungefähr hundert Menschen.
„Komm, Tod", rief Frau Pest, „von denen soll keiner mehr übrig bleiben!"
Ein schreckliches Sterben fing an.
Die Auhoferin stand gerade beim Herd und kochte für ihre Kinder. Da griff Frau Pest mit ihren schwarzen Händen nach ihr. Die Kinder in der Wiege starben, der Bauer auf dem Feld und der Holzhauer im Wald.
Der Friedhof des Marktes Königswiesen wurde bald zu klein, die Särge wurden zu wenig. So lud man die Pestleichen auf einem Karren und brachte sie zu einer nahen Wiese. Dort beerdigte man die Toten in einem großen Grab. Diese Wiese hieß von da an die Pestwiese.
Die Leute im Dorfe waren verzweifelt. Wen würde sich die Pest als nächsten holen?
Nur der Hias, ein junger Bauer, war fröhlich und guter Dinge. „Mich erwischt die Pest nicht", sagte er immer. Doch ehe zwei Tage um waren, lag auch der Hias im Bett. Doch er wollte nicht sterben. Mit seiner ganzen Kraft wehrte er sich gegen den Tod.
Nach einigen Tagen kam der Mann mit dem Pestkarren beim Haus des Hias vorbei. Er schaute in die Stube und fand den jungen Bauern regungslos im Bett liegen. Er lud ihn zu den übrigen Pestleichen, und fort ging es zur Pestwiese.
Doch der Hias war nur scheintot gewesen. Durch das Holpern und Rütteln auf dem schlechten Weg war er wieder zu sich gekommen. Er öffnete die Augen. Verwundert und entsetzt sah er, dass er zwischen Pestleichen lag. Er setzte sich mühsam auf und wollte vom Pestkarren steigen. Der Fuhrmann erschrak so sehr, dass er tot umfiel.
Der Hias wurde wieder gesund. Darüber erzürnt, verließ Frau Pest Dorf und Land.
Und so kam es, dass doch nicht alle Leute im Dorf starben. Neunzehn Menschen blieben am Leben.
Der Hias errichtete zum Dank für seine Rettung eine steinerne Pestsäule, die noch heute an der Straße von Mönchdorf nach Königswiesen steht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Sagen um Ruttenstein

 

Der Markt Unterweißenbach gehörte in früherer Zeit zur Herrschaft Ruttenstein. Die einst so mächtige Burg schaut seit zwei Jahrhunderten nur mehr als Ruine in das Land hinaus. Früher soll die Burg Fürstenstein oder Lichtenstein geheißen haben.
Vergessen sind beim Volk die Namen der mächtigen Herren, die einst auf Ruttenstein herrschten. Aber manche Sage um die alte Burg lebt weiter.
Wie sie zu dem Namen Ruttenstein kam, erzählt folgende Sage: Einst wurde die Burg durch viele Wochen von einem mächtigen Feind belagert. Die Verteidiger wehrten jeden Angriff tapfer ab, aber der Vorrat an Lebensmitteln war aufgebraucht und die Not aufs höchste gestiegen. Da griffen die Verteidiger zu einer List. In einem kleinen Teich innerhalb der Burg schwamm noch eine prächtige Rutte. Der Fisch wurde gefangen und über die Burgmauer unter die Feinde geworfen.
Sie ließen sich wirklich täuschen. In der Meinung, die Eingeschlossenen hätten noch reichlich Lebensmittel, gaben sie die Belagerung auf.
Es gibt auch eine andere Erklärung des Namens. Nach dem rötlichen Farbton des Gesteins, auf dem die Burg gebaut wurde, soll sie vor siebenhundert Jahren „Rotinstein", also „Burg am roten Felsen" genannt worden sein.
Vor fünfhundert Jahren war Ruttenstein nur mehr der Sitz der herrschaftlichen Pfleger. Manche von ihnen waren sehr hartherzig gegen die Untertanen. Besonders der sagenhafte Pfleger Wolfgang Neidhart stand im Ruf eines Leuteschinders. Einmal soll eine arme, kranke Häuslerin beim Pfleger Neidhart gewesen sein und ihn flehentlich gebeten haben,
ihren einzigen Sohn von der Robot auf dem Meierhof zu befreien. Der Pfleger wies ihr ärgerlich die Tür. Weinend stolperte das arme Weib den Burgweg hinab. Als sie unten war, hob sie ihre schwieligen Fäuste gegen die Burg und drohte: „Wart nur, Pfleger, a für dih kimmt der zahlate Tag!"
Dieser Wunsch ging noch am gleichen Tag in Erfüllung. Am späten Abend geriet der Pfleger während der Jagd an den Rand eines steil abfallenden Felsens. Ein unvorsichtiger Schritt, und er stürzte in die Tiefe. Schwer verletzt blieb er liegen. Nach Stunden furchtbarer Qual starb er. Sein Gesinde fand erst am nächsten Tag den Toten.
Die Pflegschaft Ruttenstein wurde von der Herrschaft nach Weißenbach verlegt.
Wanderung von Ruttenstein durch das Naarntal bis Pierbach
An einem schönen Herbsttag lockte uns die Ruine Ruttenstein. Nach mehr als eineinhalbstündigem Marsch erreichten wir über Schönau das Ziel. Wir hielten innerhalb der Burgruine auf einem sonnigen Plätzchen Rast. Aus der Geschichte der Burg wissen wir, daß im Sommer 1729 durch einen Blitzschlag in den Turm die ganze Anlage abbrannte. Seit dieser Zeit ist die einst stattliche Burg eine Ruine.
Vom gewaltigen Ostturm sehen wir nach Königswiesen, und im Süden grüßt St. Thomas am Blasenstein. Mit einem Feldstecher entdecken wir auch die Ruine Klingenberg. Mönchdorf wird durch einen Waldrücken verdeckt. Bei guter Sicht ist in Richtung Schönau die Susi Wallner-Warte von St. Leonhard zu sehen.

Nun steigen wir hinunter ins Tal der Großen Naarn. Unser Weg fällt steil ab und verläuft am Südhang der Ruine in einer großen Kehre. So kommen wir zum „Petern". Zu diesem Bauernhof gehört die Kapelle, vor der wir nun stehen. Links und rechts liegen noch zwei Häuser, die zur Ortschaft Niederhofstetten gehören. Dann führt uns der Weg schräg durch einen Waldhang, der von der Ruine steil nach Norden abfällt. Beim Verlassen des Waldes sehen wir schon das „Holzergut", ein Bauernhaus am Güterweg Ruttenstein. In der Nähe des Hofes arbeitet der Bauer auf dem Feld. Einige Kinder spielen auf einer Felsgruppe mitten im Acker.
Dem Güterweg folgend, lenken wir unsere Schritte nach Süden. In den großen Windungen linker Hand liegen das „Boarn-Hansl" und das „Jaga-Hübl". Im Boarn-Hansl-Haus wurde unser Bildhauer Langthaler geboren. Er hat nun im Dorf ein nettes Eigenheim.
Im Tal der Großen Naarn erreichen wir zuerst die Wachtelmühle. Und später kommen wir an der Scherrhäuflmühle, einer alten Hausmühle, vorbei. Sie liegt am linken Ufer der Naarn. Das lustige Klappern der Mühle ist leider verstummt. In der Nähe eines schmalen Holzsteges erinnert ein schmiedeeisernes Kreuz an den Ertrinkungstod des Bauern Hiasmann.
Wir kommen zur wildromantischen Klauserschlucht. Hier treffen wir den alten Klauservater, der bereits über neunzig Jahre zählt. Gemütlich raucht er seine Pfeife. Er weiß zu erzählen, dass in der Hammerschmiede, die jetzt stillsteht, in früherer Zeit oft bis zu dreißig Gesellen arbeiteten. Wir plaudern noch eine Weile mit dem Alten, der so gern aus vergangenen Tagen erzählt.
Dann setzen wir unseren Weg fort und stehen bald vor dem neu erbauten Forsthaus. Eben bespricht sich der Förster mit einigen seiner Arbeiter. Nach einem Gruß geht es weiter. Wir sind schon ein wenig müde. An einem Blockhäuschen beim E-Werk Pierbach rasten wir. Es ist nicht mehr weit nach Pierbach. Am letzten Wegstück liegt noch eine stillstehende
Hammerschmiede und das Häuschen unseres Bohrerschmiedes. Schon grüßt uns der Heiniturm der Pfarrkirche Pierbach. Das Dorf liegt vor uns.
Beim Bildschnitzer in Pierbach
Wir lassen die letzten Häuser des Dorfes hinter uns. Da biegt rechts ein Seitenweg ab. Über die Große Naarn führt eine Brücke. Einige hundert Schritte noch, und wir stehen vor dem Haus des Bildschnitzers.
Was uns gleich auffällt, sind die großen Fenster an der Nordseite. In diesen hellen Raum, in den von zwei Seiten das Tageslicht strömt, treten wir ein. Der Bildhauer arbeitet vorne an der Hobelbank an einem Kruzifix. Er ist ein Mann in den besten Jahren. Wir begrüßen ihn und fragen, ob wir uns in seiner Werkstätte etwas umsehen dürfen. Gern gewährt er uns die Bitte.
Eine Hobelbank und eine Drehbank sind da zu sehen und ein mächtiger Dreifuß, der bei der Arbeit an größeren Figuren gebraucht wird. In der rechten vorderen Ecke bemerken wir ein Wandbrett mit Querleisten, in denen sich Löcher befinden. In diesen stecken die verschiedensten Schnitzmesser. Es mögen an die hundert sein. Es gibt breite, schmale, solche mit leicht geschwungener Schneide, spitz zulaufende Messer und leicht gekrümmte, aber alle sind in bestem Zustand und scharf geschliffen. Sie müssen ja nicht nur in weichem Lindenholz, das meist für Schnitzarbeiten verwendet wird, gute Schnitte liefern, sondern oft auch bei der Bearbeitung härterer Holzarten.
Eine Weile sehen wir dem Bildhauer bei der Arbeit zu. Mit geschickter Hand schneidet er einen Ghristuskopf aus einem Stück Holz heraus. Jeder Schnitt wird sicher geführt. Unter seinen gefühlvollen Händen entsteht das leidende Antlitz des Erlösers. In vielen Schulen hängen schon Kreuze aus der Hand des Pierbacher Meisters.
Aus dem Gespräch mit dem Bildschnitzer erfahren wir, dass er einen großen Aufgabenkreis hat. Sein nächstes größeres Werk wird das Hochaltarkreuz für die Pfarrkirche zu Schönau sein. Sogar in einer Missionsstation des Schwarzen Erdteils kann man ein Altarkreuz von Meister Langthaler finden.
Um die Weihnachtszeit sind es vor allem Krippen, die aus dieser Werkstätte ihren Weg finden in die Häuser vieler Menschen. Maria und Joseph, das Jesukind, die Tiere im Stall, Hirten und Engel, die Heiligen Drei Könige mit ihrem Gefolge, oft aus einem einzigen Lindenholzblock kunstvoll herausgeschnitten, stellen das Wunder der Geburt Christi in inniger Frömmigkeit dar.
In besinnlicher Stimmung verabschieden wir uns vom Bildschnitzer mit vielen Wünschen für seine weitere Arbeit. Draußen hat inzwischen das sanfte Licht des Abends die Landschaft verklärt, und noch lange verweilten unsere Gedanken bei dem schönen Erlebnis.

RUTTENSTEIN
Andre wuchs in Hofstetten bei Königswiesen als Bauernbub auf. Er lernte schon früh die Mühen der Arbeit auf dem buckligen Land kennen, genoss aber auch die fast wilde Freiheit nach Feierabend. Immer wieder kletterte er den steilen Hang zur Ruine Ruttenstein hinauf. Die Türme, die Torbögen, der Brunnen - alles war halb verfallen und barg für den neugierigen Buben lauter Geheimnisse. Dort, wo das ehemalige Burgverlies war, stieß er eines Tages unvermutet auf eine verschlossene Truhe. Ein Vorhangschloss baumelte an den rostigen Eisenbändern, es steckte sogar ein Schlüssel daran. Andre spürte sein Herzklopfen, und er sah sich um, bevor er es wagte, den Schlüssel an sich zu nehmen. Er rannte in die Richtung, aus der er seinen Vater bei der Holzarbeit hören konnte. Aufgeregt und außer Atem vom Laufen kam er an. Die Leute unterbrachen ihre Arbeit, und der Bub hielt ihnen den Schlüssel hin, wies zum Ruttenstein hinauf und sagte nur: „Hab ich oben gefunden, an einer Kiste' Man beschloss, nach der Brotzeit nachsehen zu gehen.
Der Andre ging ihnen voraus, zielsicher auf den Fundort zu. „Da, hinter der Mauer muss sie liegen“ meinte er und huschte ums Eck. Die Nachkommenden fanden ihn aber mit recht verdutztem Gesicht, die Truhe war spurlos verschwunden. Einige fühlten sich genarrt und schimpften, andere suchten ringsum, die Truhe kam nicht mehr zum Vorschein. So kehrten sie zur Arbeit und am Abend auf ihre Höfe zurück. Einer übernahm die Obhut über den Schlüssel.
Oft und oft durchstreifte Andre noch die Ruine, auch als er Jahre später schon Jäger war, doch niemals wieder kam der Schlüssel zum Schloss.
Nach Generationen ist der Schlüssel abhanden gekommen. Noch lange überlieferten die Bewohner von Hofstetten die unerklärliche Geschichte mit der Schatztruhe auf der Ruine Ruttenstein.

Burgen und Nagelein Königswiesen

In Königswiesen lebte ein heilig mäßiger Pfarrer. Auf dem Heimweg von der Kirche über den Friedhof zum Pfarrhof erschien ihm eine arme Seele und bat um Erlösung. „Da geh doch am Armenseelentag in die Kirche und du wirst mit dem Segen erlöst", meinte der Pfarrer. „Ich kann mich nicht selber erlösen", erwiderte die arme Seele: „Du kannst mich durch eine Wallfahrt erlösen; nur darfst du auf dem Hin- und Rückweg nur zu Fuß unterwegs sein und dich nur von Wasser und Brot ernähren und in Mariazell die Kommunion aufopfern." Der heilig mäßig lebende Pfarrer erfüllte zum Pfingstfest die Aufgabe. Und als er wieder erleichtert daheim war, erschien ihm die erlöste Seele.
 
In Salchenöd bot einmal ein Leinenweber in den Bauernhäusern seine Waren feil, aber da die Salchenöder ja selber webten, konnte er nichts verkaufen und zog zu den Gillinger Häusern weiter. Die Salchenöder sahen ihm nach, und plötzlich war er wie vom Erdboden verschluckt. So liefen sie aus den Häusern und sahen nach. Nun, der Leinenweber blieb verschwunden, nur ein Häufchen Asche von einem Stück Leinwand konnten sie finden. Als sie am Sonntag nach dem Leinenweber nachfragten, kannte ihn niemand.

Die Nuß(bach)brücke hatte der Teufel gebaut und er verlangte darauf das erste Wesen, das über die Brücke ging, als Belohnung. So jagte der Nußmüller eine Katze über die Brücke. Der Teufel riß sie vor Wut in die Tiefe, so daß ein großes Loch entstand.

Dort, wo heute das Kreuzstöckl beim Wührer steht, erschien früher den Leuten, die noch spät-abends unterwegs waren, oft eine schwarze Katze, die dann vor ihnen her ging und größer und größer wurde, bis man einen frommen Spruch sagte oder das Kreuz schlug, dann verschwand die Katze. Seit der Wührer dort das Kreuzstöckl errichten ließ, zeigte sich die schwarze Katze nicht mehr.
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Ähnlich ging es beim Bau der Stierhoferbrücke (die man leider nicht mehr sehen kann, weil sie mit dem Königswiesner Müll eingeebnet worden ist) zu. Immer wieder führten der Maurer und seine Helfer die Brücke auf, aber es nützte nichts, sie stürzte wieder und wieder ein, so dass sich der Maurer und die Königswiesner nicht mehr Rat wussten. Als fremder Mann aus der Stadt kam der Teufel daher und bot seine Hilfe an: „Ich helfe euch. Ihr müsst mir aber geben, was zuerst über die Brücke geht." Die Stierhoferleute waren damit einverstanden. Als die Brücke fertig war, jagten sie, wie der Nußmüller, eine Katze darüber. Der Teufel packte sie voll Zorn und verschwand mit ihr in die Klammleiten.
 
Die Leute von Königswiesen waren vor Zeiten so brav, daß der Teufel schlechte Geschäfte gemacht hatte. Deshalb sammelte er in der Walpurgisnacht die großen Felsen von den Wiesen und Feldern der bösen Menschen, um sie auf die der Tüchtigen und Braven zu werfen. Er sammelte einen mächtigen Fürfleck voll und flog über die Harlingsöd. Da krähte beim Hansensepp etwas zu früh der Hahn und beendete so des Teufels Macht. Da stürzten die Felsen zur Erde und liegen auch heute noch zahlreich um den Himmelberg.

Beim Kapeller wurde am Samstagabend gerade der Rosenkranz gebetet, als ein Mann in die Stube trat und sagte: „Spannt die Ochsen vor mein Fuhrwerk draußen. Auf der Straße muß ein Brotbrösel liegen, meine Rösser wollen nicht drüber." Der Kapeller tat es und brachte den Wagen weiter. Als er die Ochsen wieder ausspannte und wegtreiben wollte, sagte der Fuhrmann: „Nimm einen Hut voll Kohlen vom Wagen.'" So sehr es ihm auch merkwürdig vorkam, er nahm einen Hut voll und warf sie drinnen in der Stube kopfschüttelnd in den Ofenwinkel. Als die Bäuerin am Morgen einheizte, waren es lauter Goldklumpen. Da wussten sie, dass der Bauer am Vortag einem Teufelsfuhrwerk Vorspann geleistet hatte.
Der Teufel trug auch wiederholt nachts eine Felswand in den Nußbach und staute dadurch das Wasser, daß es beim Nußmüller ins Haus drang. Und am Morgen stand aber die Felsmauer stets an ihrem alten Platze. Da errichtete der Nußmüller auf das Anraten des Pfarrers ein Kreuz auf der Felswand. Da konnte der Teufel nichts mehr aus- und anrichten.

Zwei Haider-Burschen gingen einmal durch den Haider-Wald vom Reitler heim. Da prahlte der eine, er könne den Teufel herbringen. Und als der andere erwiderte: „Auf deinen Teufel bin ich schon recht neugierig!" nahm er ein Büchl aus der Rocktasche und las darin. Da wurde es stockdunkel und stürmisch, dass dem ungläubigen Freund angst und bang wurde und er bat, doch wieder aufzuhören. Wie nun der andere wieder das Buch zurücklas, wurde es wieder hell, der Sturm legte sich und vor ihnen stand am Weg der Teufel, der sie bis zum Scheiberkreuzstöckel begleitete. Der eine sagte: „Ich kann auch eine schwarze Katze herzaubern.'' Weil das wiederum der andere nicht glauben konnte, nahm er noch einmal das Büchel aus der Brusttasche und las einen Spruch vor. Im selben Augenblick lief vor ihnen eine schwarze Katze und verschwand erst, als sie unter die Dachtraufen vom Lenzn auf der Haid kamen.

Es ist sicher schon über 200 Jahre her, dass sich der schwarze Tod, die Pest, nach Haid aufgemacht hatte. Lange ist er schon nicht mehr da gewesen. Er zog von Königswiesen herauf und berührte mit seinem Pesthauch wem er gerade begegnete. Er fragte niemanden nach dem Wohin und Woher. Er klopfte auch nicht an und trat durch jede Tür. Da fielen die Menschen wie das Gras beim Mähen um. Niemand wußte Rat. Kein Kraut und kein Kräutlein schien zu helfen.
 
Der Petern Bärtl
Früher lebten in unseren Wäldern Wölfe, Wildkatzen, Bären, Hirsche und Auerhähne. Und da konnte es geschehen, dass so ein Bär den Wald wechselte und vom Haider Wald in den Stiftinger Forst streifte. Da liefen die Hörzenschläger und Haider in ihre Höfe und riegelten die Tore zu. Und der Bär wurde in jeder Erzählung immer größer und schrecklicher, bis er schließlich so groß war, dass sich alle weit und breit fürchteten. Aber hin und wieder gab es mutige Burschen, die den Geschichten nicht glaubten. So den Petern Robert, der lieber spannende Geschichten las oder Karten spielte, als am Feld zu arbeiten oder den Tieren beim Fluten nachzulaufen. Wenn zwei Kühe beim Hüten keine Ruhe gaben, und durch den Halterdraht liefen, band er ihnen die Schwänze zusammen, um weiter lesen zu können.
Irgendwann einmal im Herbst waren die Kühe besonders unruhig, die Schafe blökten und die Geißen wollten immer in den Stall zurück. Da sah Robert hinter einem Steinkobel einen zotteligen Hund ein Kalb anfallen. „Verdammter Hund, scher dich fort! Lass die Tiere in Ruhe!" rief Robert und warf dem Hund Steine und Stöcke nach. Aber das zottige Tier ließ vom Kalb nicht los und brummte bloß. Da sprang Robert auf, lief zum Hund hin, schnappte ihn beim Pelz und dann rauften sie wie zwei Besoffene. Plötzlich fielen sie hin und purzelten eng umschlungen eine Gstette hinunter in den Klamleitenbach. Dabei zerbrach sich der Hund das Kreuz und Robert stand blutig und müde auf und wankte heim. Da schrie seine Mutter entsetzt: „Robert, was ist mit dir geschehen?" - „Ich habe mit dem lästigen wilden Hund raufen müssen, der hätte sonst ein Kalb gebissen." Der Vater lief in den Graben hinunter und da sah er einen toten Bären liegen. Seit dieser Bärengeschichte nennt man den Petern Robert „den Petern Bärtl". Manchmal sitzt er bei der Wirtin in der Gaststube und erzählt noch seine Bärengeschichten.
 

Sage von der Teufelsmühle in Königswiesen

Eine halbe Wegstunde vom Markt Königswiesen entfernt, liegt die Klammleiten, eine wilde, zerrissene Felsenschlucht, in der der Klammleitenbach schäumend und tosend dahin rauscht.
Einmal war dort eine liebliche Gegend mit sanften, grünen Wiesen und fruchtbaren Feldern, durch die der Bach ruhig floss. An seinem Ufer stand eine große, schöne Mühle, deren Rad jahraus, jahrein nicht stille stand.
Der Müller war gestorben. Seine Witwe, eine hartherzige und geizige Frau, hetzte Hunde auf die Leute, die es wagten, sie um Almosen zu bitten. Sooft die böse Frau einem Hungrigen die Tür wies, lachte sie boshaft und legte ein Stück Brot, statt es dem Armen zu geben, in eine eisenbeschlagene Truhe.
Als sie das wieder einmal tat, zog ein schweres Unwetter auf. Es donnerte und blitzte, die Erde zitterte und bebte. Große Felsen wurden wie von Riesenfäusten durch die Luft geschleudert.
Vor den Augen der erschrockenen Dienstboten verwandelte sich die Müllerin in ein schwarzes, borstiges Schwein und verschwand im Sturm. Die Mühle versank unter Tosen und Krachen, und Felsen bedeckten die Stelle.
Als das Unwetter verzogen war, hatte sich das freundliche Tal in eine Schlucht mit düsteren Felsblöcken und wildem Gesträuch verwandelt.
An dem Platz aber, wo einst die Mühle stand, hört man noch heute Tag und Nacht ein Geräusch, als drehe sich ein Mühlenrad.
Die einen meinen, unter den Felsen mahle der Teufel, die anderen, es sei das Rauschen des unterirdisch fließenden Wassers.

Burgen und Nagelein Königswiesen
Die Teufelsmühle in der Klammleiten
Wenn man in Haid an der Schule, am Lenzn Stadel vorbeigeht, kommt man in die Klammleiten. Das ist eine wunderschöne, wilde Klamm, durch die der Klammleitenbach über riesige Felsen nach Königswiesen tost und dort mit dem Schwarzaubach die Große Naarn bildet.
Diese schöne Schlucht soll einmal eine fruchtbare Gegend gewesen sein, aber nur mehr die Mauerreste der Breitfuß- und der Reindlmühle erinnern an den einstigen Reichtum. Von anderen Mühlen weiß man nicht einmal mehr den Namen.
Der Müller der reichsten Mühle war gestorben, und seine Frau herrschte von da an, als wäre der Teufel in sie gefahren. Sie schrie und zeterte mit den Knechten und Mägden und jagte sie schließlich aus dem Haus. Wenn Leute es wagten, in die Nähe der Mühle zu kommen, jagte sie diesen ihre bissigen Hunde nach, so dass alle die Mühle mieden. Jedoch trieb hin und wieder der Hunger fremde Bettler an die Tür der Mühle. Aber die Müllerin kannte kein Erbarmen.
An einem späten Abend schlugen wieder einmal die Hunde an und bellten, dass man sie weithin hörte. Die Müllerin riss zornig die Haustür auf und schrie: „Verdammtes Bettelgesindel! Scher dich fort!" Doch der zerlumpte Bettler hob verzweifelt
die Hände, und wie ihn die Hunde ansprangen, rief er: „Deine Mühle, deine Hunde, deine Kühe, Schafe und Ziegen sollen hart wie dein Herz werden, und du sollst als Felsen erstarren!" Da wurde es stockdunkel. Es blitzte und donnerte. Die Erde spaltete sich. Riesige Felsen flogen durch die Luft, und die Mühle samt Mühlteich versank.
Am anderen Tag war die Mühle verschwunden. Nur unzählige Felsbrocken und dichtes Gestrüpp versperrten den Weg. An der Stelle, wo einst die Mühle gestanden sein soll, hört man auch heute noch ein Rauschen und Klopfen, als drehe sich ein Mühlerad, aber das will keiner so recht glauben.

Holztrift im unteren Mühlviertel

Tauwetter ist eingebrochen. Das Wasser der Naarn beginnt zu steigen. Männer aus dem Markt und Bauern aus dem Gemeindegebiet Königswiesen lassen sich beim Förster der Coburgischen Forstverwaltung aufschreiben, denn in den nächsten Tagen wird im Schwarzau-, im Klammleiten- und Nußbach geschwemmt.
Die Bäche entlang sind bis zu zehn Meter hohe Scheiterstöße aufgeschlichtet. Das ganze Jahr über haben im Forst die Holzknechte die Bäume gefällt. Die Förster haben die Bloche gemessen, das restliche Holz, das als Langholz nicht zu verwenden war, wurde geschält und zu ein oder eineinhalb Meter langen Prügeln geschnitten. Wo es wegsam war, brachten Fuhrwerke sie zu den Ufern. Aus den unwegsamen Waldgebieten und von den Berghängen mussten Holzknechte im Winter mit Ziehschlitten die Scheiter zu den Flüssen bringen. Es war eine harte und gefahrvolle Arbeit.
Oben bei der Brentmühle steht ein Marterl, das von einem solchen Schlittenunglück berichtet.
Von der Forstverwaltung auf der Greinburg ging die Losung durch: „D´ Scheiterschwemm geht an." Die ganze Naarn entlang bis zur Donau warten bereits die Schwemmknechte. Die Tage sind nasskalt.
Erwachsene und Kinder stehen neugierig an den Ufern. Gustl und Franzl laufen zurück in die Klammleiten. Dort fließt der Bach ein gutes Stück unterirdisch, und eine lange Holzrinne, das Fluder, musste gebaut werden. Wild rauschen die Wasser durch das Tal, denn die Schleusen des Rubenerteiches wurden geöffnet. Das Schmelzwasser allem wäre zum Schwemmen zu wenig. Plötzlich widerhallt ein Schuss in den Waldbergen. „Hast du 's gehört?" schreit Gustl. „G'schossen haben s' mit der Kanon! Gleich werden die Scheiter kommen!"
Und wirklich, da kommen sie! Zuerst nur einige, dann in rascher Folge immer mehr. Die Schwemmer stechen und schieben mit den Schwemmhaken, damit sich kein Prügel verspießt. Dort schwimmt ein ganz müdes Scheit. Immer wieder geht es unter. Die Buben kennen sich aus und betteln zwei Knechte an: „Bitt schön, dürfen wir das Sinkscheit herausziehen?" Die Männer überlassen den Buben die Schwemmhaken, und bald liegt das Sinkscheit auf dem Ufer. Noch manches fischen sie heraus.
Plötzlich ruft Franzl seinem Freund zu: „Dort bei der Biegung haben sich die Scheiter verfangen, eine ,Brucken´ wird!" Wirklich haben sich Scheiter gestaut. Nur Scheiter sieht man, kein Wasser. Flink sind die zwei Kerle dort und wollen über die Brücken turnen. Die herbeieilenden Schwemmer rufen: „Lausbuben! Was fällt euch ein!" Die Buben treten verdutzt zurück. Die Männer müssen angestrengt arbeiten, bis die Scheiter wieder in die Strömung kommen. Ein älterer Schwemmer wendet sich den beiden Buben zu und meint: „Das hätt' bei euch jetzt schief gehen können. Lasst euch erzählen! Wenn man von Königswiesen den Schwarzaubach entlang zum Forsthaus Stifting wandert, steht unweit des Elektrizitätswerkes ein Wegkreuz. Darauf ist zu lesen, dass dort am 26. März 1928 Johann Huber verunglückte. An der engen Stelle konnte das viele Holz nicht mehr durch. Eine mächtige Brücken war entstanden. Der Huber nimmt den Schwemmhaken und zieht, stößt und reißt, aber die Scheiter rühren sich nicht. Er steigt auf die Brücken, und in diesem Augenblick gehen die Scheiter auseinander, und der Huber stürzt ins Wasser. Die Scheiterbrucken schließt sich über ihm. Etliche Schwemmer eilen sofort hin, aber bis sie ihn finden, ist es zu spät." Stille ist eingetreten. Die Buben spüren ein Unbehagen. Gustl fragt ablenkend: „Was geschieht weiter mit den Scheitern?"
„Die Scheiter schwimmen in der Naarn hinaus nach Perg und zur Donau. Ein Schwemmrechen fängt sie dort auf, die Holzknechte fischen sie heraus und schichten das Holz auf großen Lagerplätzen auf. Später wird es auf Bahn und Schiff verladen."
In den nächsten Tagen wird im Schwarzaubach geschwemmt, und jetzt werden die Schleusen des Bucherteiches geöffnet; für den Nußbach nimmt man das Wasser aus den beiden Klausteichen. Das Scheiterschwemmen gehört vergangenen Tagen an. Heute werden die Scheiter mit dem Auto zu den Lagerplätzen an der Donau befördert.
 
Burgen und Nagelein/Königswiesen

Einmal gingen die Meisenburschen von der Klammleiten zum Katteneder hinauf. Da sahen sie auf einem steilen Felse, die gibt es da zur Genüge, eine Jungfrau mit silberweißem Haare sitzen. Der eine Bursche spottete: „Das ist aber eine alte Jungfer!" Die weiße Jungfrau erwiderte: „Ja, das bin ich wohl. Ich habe den Wald schon dreimal wachsen und abholzen und manches Kind als alten Mann vorbeigehen gesehen. Morgen sind es schon dreimal hundert Jahre, dass ich verzaubert bin. Ihr könnt mich erlösen, wenn ihr morgen wieder um dieselbe Zeit kommt. Ich werde euch als feurige Schlange mit einem glühenden Schlüssel im Rachen erscheinen; und es wird ein schreckliches Unwetter anbrechen. Ihr müsst mir nur den Schlüssel aus dem Maul reißen. Aber ihr dürft euch nicht erschrecken lassen. Traut ihr euch nicht, so muss ich wieder warten, bis aus dem Sämling da ein großer Baum wird, der die Bretter für eure Urenkel gibt, die mich erlösen werden können."
Natürlich waren die Meisenburschen am nächsten Tag wieder beim Felsen und sahen die feurige Schlange. Schon wollten sie ihr den Schlüssel aus dem Maul reißen, als ein schreckliches Unwetter losbrach, dass sich die Bäume nieder bogen und sie vor Schrecken fortstürzten. Weit und lange, selbst bis in ihre Träume, verfolgte sie das Schluchzen der Jungfrau.

Die Holzschwemmer fluchten nicht weniger als die Holzhacker. In der Klammleiten fiel einmal einem Holzschwemmer ein Scheit neben die Schwemme. Voll Zorn fluchte er wie üblich. Da sprang ein schwarzer Hund dem Scheit nach. Der Schwemmer bekreuzigte sich und ließ von nun an das Fluchen.

Das Mühlweiblein von Diesenreith
In den Flüssen und Bächen, Teichen und Seen, Sümpfen und Mooren lebten früher die Wasserleute, Wassermänner, Nixen, Mühlweiblein und Wassergeister, die niemandem etwas zuleide taten und sehr scheu waren, weil sie die Menschen fürchteten. Nur das Mühlweiblein von Diesenreith schlich sich zur Diesmühle oder Breitfußmühle, um zu sehen, was die Menschen in ihren Häusern trieben. Wenn die Kinder an den Fensterscheiben das Gesicht vom Mühlweiblein sahen, erschraken sie und versteckten sich.
Einmal musste sich die Diesmüller Renate um Krapfenschmalz nach Königswiesen gehen. Als Renate auf dem Rückweg durch den Klamleitenbach beim Kanzelstein vorbeikam, sah sie die Steinchen im Wasser wie Gold glänzen. Sie trat ganz nahe ans Ufer des Baches heran. Da tauchte das Mühlweiblein mit seinem Froschaugengesicht aus dem Klamleitenbach auf. Renate erschrak und wollte fortlaufen, aber das Mühlweiblein redete sie freundlich an und fragte: „Wer bist du? Wie heißt du? Wo warst du? Wo gehst du hin? Was hast du in dem Topf?" - „Ich bin Renate und habe Krapfenschmalz aus Königswiesen geholt." - „Du hast Krapfenschmalz gesagt? Ich liebe Krapfenschmalz. Darf ich ein bisschen Krapfenschmalz von dir haben? Ich möchte so gern für meine Kinder wieder einmal Krapfen herausbacken!" bat das Mühlweiblein und nahm Renate bei der Hand. Sie führte Renate in den Klamleitenbach. Jetzt kam Renate das Wasser nicht nass vor. Unten am Grund spielten die Kinder Verstecken und Fangerl genauso wie überall in Haid und Hörzenschlag. Renate spielte gleich mit. Einstweilen buk das Mühlweiblein die Krapfen. In der ganzen Klamleiten konnte man es riechen. Von überallher kamen Nixen, Wassermänner und Wassergeister und bekamen Krapfen. Renate aß auch einen Krapfen, der ihr so gut wie keiner vorher schmeckte. Dann verabschiedete sie sich von allen und marschierte weiter nach Hause. Zu Hause wartete die Mutter. Als sie Renate sah, begann sie zu weinen und konnte nicht glauben, daß sie Renate wäre, weil sie ein ganzes Jahr nicht zurückgekehrt war.
                 Zusammenstellung: Gerhard Wiesinger